ZWISCHENRUF - SSP Kommunikation

ZWISCHENRUF

8 Ι Feb. 2022

Keine Frage: Wettbewerb ist gut, Transparenz ebenso. Und mit Steuergeldern sollte man sorgsam umgehen. Sowieso. Aber unser Ausschreibungs(un)wesen sichert keins von dreien. Übel Nummer 1: Der Zuschlag geht zu oft an den Preisgünstigsten. Bei Schrauben, Handtüchern oder Garderobenhaken mag das ein Kriterium zum Vorteil des Steuerzahlers sein. Mehr oder weniger genormte Teile lassen sich noch gut vergleichen. Problematisch wird es, wenn Hand- oder Kopfarbeit ins Spiel kommen. Alltägliches Beispiel: Pfusch am Bau, der erst offensichtlich wird, wenn die Gewährleistung oder das beauftragte Unternehmen nicht mehr existieren. Billig eingekauft, teuer bezahlt. Ist der Preis für die Vergabe nicht entscheidend, werden Qualität oder Eignung bewertet – es fragt sich von wem und auf welcher Basis.

Übel Nummer 2: Ausschreibungen sind vornehmlich eine juristische Pflicht - und keine Chance, einen leistungsstarken Dienstleister zu finden. Über der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben lassen die Bürokraten die inhaltliche Genauigkeit vermissen: Da braucht man eine PR-Agentur, sucht aber eine Werbeagentur, die knappen Briefings widersprechen sich, Ziele und Maßnahmen werden durcheinandergeworfen, man fordert Kommunikationskonzepte sucht aber Designentwürfe… Mangelhafte Briefings und Widersprüche müssen (schriftliche) Bieterfragen kompensieren. Die (schriftlichen) Antworten bleiben in der Regel ebenso wenig erhellend wie der Ausschreibungstext. Ergebnis: Man schreibt Konzepte für Kunden, die man nicht sprechen darf, deren Erwartungen man nicht kennt und die ein forsches Maßnahmenpaket meist einer gründlichen Analyse vorziehen.

Übel Nummer 3: Man agiert nicht auf Augenhöhe. Entsprechend ist der Umgangston. Aber der mitschwingende Metatext ist vielleicht gezielt gesetzt: Berwerb dich bloß nicht, mit uns gibt’s nur Ärger. Wir haben keine Ahnung von Kommunikation – aber von Paragraphen. Also lass es sein – und mach uns keine Arbeit… Die oft absurde Liste der Vorbedingungen, die es für eine Teilnahme zu erfüllen gilt, wäre ebenfalls ein Indiz für diese Haltung.

Übel Nummer 4: The winner takes it all… Und das ist in diesem Fall die ausschreibende Stelle. Zumindest im Moment der Vergabe. Denn dann nimmt sie für sich in Anspruch, in Angeboten schon fertige Agenturleistungen zu fordern - natürlich unbezahlt. Nicht selten bastelt man dann aus dem so gehamsterten Ideenpool selbstgemachte Hausmannskost – in der Meinung, man habe die Zutaten für die Spitzenküche.

Die Liste lässt sich fortschreiben. Am Ergebnis ändert sich nichts: Diese Verfahren sind untauglich. Zumindest um Agenturleistungen einzukaufen. Es gibt einen Berufsstand, der seine Vergabe-Verfahren erfolgreich umsetzt: die Architekten. Nach einer Vorsichtung wird eine kleine Gruppe zum Wettbewerb eingeladen. Dazu gibt es vorbereitende und gründliche Briefings – gemeinsam. Und die Anforderungen an die zu liefernden (und zu präsentierenden) Leistungen sind exakt festgeschrieben. Und somit vergleichbar. Eine unabhängige Jury entscheidet zum Abschluss über den Sieger und verteilt damit Preisgelder. Ein Verfahren, das von dem Willen getragen wird, ein gutes Ergebnis zu generieren. Darüber sollte man zumindest bei größeren Projekten und Budgets nachdenken. Und die kleineren sollten nach einem einheitlichen und verbindlichen Ausschreibungs- und Bewertungsraster für Kreativleistungen vergeben werden, mit klar definierten Leistungsanforderungen. Damit es schneller geht und einfacher wird – für beide Seiten.

Aber bleiben wir realistisch: solange keiner den volkswirtschaftlichen Schaden berechnen kann, den ein ins Leere laufendes Vergaberecht produziert, solange wird niemand etwas ändern. Und miserable Kommunikationsleistungen haben im Gegensatz zu Pfusch am Bau einen gravierenden Nachteil: sie produzieren keine einstürzenden Neubauten…